RAINER WEBER >>

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antikapitalistische Kleinplastik


»... weniger eine Substanz als vielmehr die Idee ihrer endlosen Umwandlung«

(Roland Barthes über Plastik)


„antikapitalistische Kleinplastik“- das klingt wie Wurst Pavillon


„antikapitalistisch“ liest sich wie eine ganz große Parole und kommt dann als kleinplastisches Unterfangen allzu kümmerlich daher. Die Deutungshoheit des Künstlers ist damit offen gelegt, sie wird regelrecht zelebriert. Rainer Weber macht hier Bildhauerarbeit, die auf das Sensat fokussiert ist und nicht auf das Signifigat - es ist Kunst, die der Bedeutung und den Diskursen noch vorgelagert ist. Wobei selbstverständlich klar ist, dass es etwas Bedeutungsleeres nicht geben kann, denn auch das Begehren etwas Bedeutungsloses herzustellen wohnt ja schon Sinn inne.

Dass der Bedeutungswille fehlt, wird durch die überstrapazierenden, parolenartigen Titel deutlich. Rainer Weber setzt die Gestalt im Nachhinein mit einem Titel und Bedeutung einer Art Belastungstest aus. Wie viel kann ich in die Gestalt hineinlesen? Der noch bedeutungsleerere Zustand wird als „produktive Ambiguität“ (Eco) aufgefasst. Eco schlägt vor, die uneindeutige ästhetische Botschaft mit mehr oder minder genauen Bedeutungen zu befrachten und auszutarieren, bis zu welchem Punkt eine »leere« Gestalt das Einführen eines neuen Sinnes erträgt. [ Er kennzeichnet Analyse- und Interpretationsfähigkeit als eine »Dialektik zwischen Form und Offenheit (auf der Ebene der Botschaft) und zwischen Treue und Eigeninitiative (auf der Ebene des Empfängers)«. Also auch wir, die Betrachter, dürfen die „antikapitalistische Kleinplastik“ mit Bedeutungen befrachten. Allerdings kommt man mit Webers „antikapitalistischer Kleinplastik“ gerne und leicht zu dem Erlebnis, das Susan Sontag empfiehlt: Statt auf Hermeneutik und Deutung zu zielen, solle sich die Kunstkritik von der Anziehungskraft der Formen, „the erotics of arts“ verführen lassen.

Johannes Ismaiel-Wendt (Haus der Kulturen der Welt, Berlin)


Krieg der Welten

...In „Krieg der Welten“ ist der Kampf zwischen der in Form gebrachten, funktionellen Plastik, dem Realen, dem Inhaltsbeladenen, dem Fön, dem „Schreibtisch Boy“ gegen die Idee von Plastik zu erleben. Es mag vielleicht so aussehen, als hätte die Idee von Plastik das funktionelle besiegt, der Fön bestimmt aber letztlich doch die Formen mit - sie bedingen sich gegenseitig. Und in dieser Begegnung mit der Idee von Plastik wird das Funktionale vom Fön in den Hintergrund gedrängt und auch der Fön tritt wieder mehr als Sensat in Erscheinung.


»... es ist weniger Gegenstand als Spur einer Bewegung« (Roland Barthes über Plastik)

       

                                      Johannes Ismael Wendt


dokumentarische Verformung

Ziel ist es in möglichst objektiv authentischer Weise die formalen und Form gebenden Auswirkungen verschiedener realer und in die Realitätübersetzter Situationen plastisch zu dokumentieren.

Hiezu werden "neutrale Formen", handelsübliche 10 Kg Tonquader in Plastikverpackung dem wirklichen Leben ausgesetzt.

16.04.2011 R. Weber

"VERGRößERUNGEN"

Die Kugel ist in Rainer Webers Arbeiten nicht wegzudenken. Er hegt eine Faszination für Konstruktionsprinzipien, Formsysteme und das Serielle. Rainer Weber denkt sich konzeptuell Verfahren aus, unter denen Plastiken entstehen. Dabei macht er die Bedingungen sichtbar unter denen eine Form erzeugt wird.

In der Serie Vergrößerungen, die hier im Gang präsentiert wird, sind der Ausgangspunkt ebenfalls Alltagsgegenstände. Zum einen sind es Reiseandenken in der Form von kleinen antiken Figuren. Sie werden mit Latex in mehreren Schichten überzogen. Nachdem dieser Gummiüberzug getrocknet ist, wird unter Druck Gips hineingepumpt. Die vorherigen Ausdehnungen bilden sich als Zeichnung in dem neuen Volumen ab. An den dicksten Stellen der Ausgangsform bilden sich die größten Ausformungen aus. Webers Idee von Skulptur sprengt den Rahmen des klassischen Mediums Skulptur, er dehnt, zerrt und zerreißt dieses Medium im wahrsten Sinne des Wortes. Da wo die klassische Bildhauerei abträgt, wie bei der Stein- oder Holzbildhauerei, bläht Rainer Weber seine Formen auf.                                 Anja Wohlgemuth

"LIEBE"

....Rainer Weber aus Bremen interveniert ins Vorhandene und dockt sich mit seinen ungelenken sinnlich-ulkigen Wulstkugeln ohne Bedenken an vorhandene Gegenstände an, um ihnen – wie er sinngemäß schreibt - ihren plastischen Gehalt wiederzugeben und damit ihren rein funktionalen Zweck zu vertreiben. Das hat viel mit Liebe zu tun!...

S.Rogler Eröffnungsrede zur Ausstellung „lieben. was“, Shedhalle Tübingen


THE FRENCH HOLE

Die Serie „THE FRENCH HOLES“ ist ein plastisches Reisetagebuch. Rainer Weber reiste im Aug. 2011 durch Frankreich und formte verschiedenen Löcher die er jeweils vor Ort aushob ab. Dokumentiert ist diese Reise durch Plastiken (die Lochabgüsse) und Zeichnungen.

Hat sein Großvater zwischen 1914 und 1918 in Frankreich auch schon Löcher gegraben? Werden in der gesamten Weltgeschichte nicht kontinuierlich Löcher gegraben?                                     Werden die Löcher ausschließlich zum Zweck der Dokumentation gegraben? Sind Löcher die Abwesenheit von Materie? Was ist dann deren materieller Abguß?                                                              Die Plastiken bekommen durch, ihr Stehen, auf einer kleinen Randfläche einen dramatisch / monumentalen Aspekt. Die gerade auf Hochglanz polierte Eingußfläche steht in jähem Kontrast zu den zerklüfteten Abgußflächen des Loches...

                                       F.Lecroiche